Das kulturelle Erbe

Was bringt die Zukunft, wenn in der nächsten Generation bei möglicherweise nicht reduziertem Gebäudebestand nur etwa die Hälfte der heutigen Kirchensteuerzahler dazu beitragen, dass das kulturelle Erbe der Kirche, das doch uns allen gehört, zu erhalten gilt? Diese Frage steht eng verbunden mit der Wahrnehmung nicht für den Erhalt der Werte in Verbindung zum Nutzungskonzept, sondern auch der Pflicht zum kulturellen Erbe. Im Rahmen einer Reihe von Seminaren diskutiert und informiert Eric Mozanowski über den Denkmalschutz in Deutschland und im Wandel der Zeit.

Nutzungsprobleme historischer Kirchen

Unter dem Motto: «Die moderne Kirche dem modernen Christen» wurden die Feierräume – auch im Hinblick auf die Predigt- und Liturgiereformen – vielfach von Gedenktafeln, Altären, Pfarrständen, Emporen, Taufbecken und Kanzeln befreit und somit ihrer ehemaligen Identitätsmerkmale entledigt. Wichtig wurden nun die zahlreichen Zusatzeinrichtungen wie Kaffeeküchen, Projektionsräume, Toiletten, Clubräume usw. Bei zahlreichen Bauten dieser Art musste man jedoch später bedauernd feststellen, dass das große räumliche Angebot mit all seinen variablen und veränderbaren Räumen oft nicht in erwünschtem Maße angenommen wurde.

Studien belegen, dass trotz vielfältiger Bemühungen beider Konfessionen die Zahl der Kirchenbesucher zunehmend rückläufig blieb. Daran konnten auch die kirchenräumlichen Veränderungen nichts ändern. Selbst die Resakralisierungsversuche der achtziger Jahre konnten an diesem Schrumpfungsprozess nichts ändern.

Obwohl die zuständigen Landeskirchen und Denkmalämter sowie geschichtsbewusste Architekten die oft überzogenen Wunschkataloge der Gemeinden gelegentlich auf das für den Bau gerade noch verträgliche Maß reduzieren konnten, ist generell festzustellen, dass wohl in keinem vergleichbaren Zeitraum derartig überhastet hohe Anforderungen an den historisch gewachsenen Sakralraum gestellt wurden.

Modellstudie – Ersrode

Nach der Umgestaltungseile der sechziger und siebziger Jahre kam eine Zeit der Besinnung. Nicht selten machte sich Reue über die veränderte historische Innenraumkonzeption bemerkbar, wobei der Vorwurf einstiger Sorglosigkeit und unbedingter Neuerungszwänge häufig unberechtigt an die Adresse der zuständigen Behörden ging, die seinerzeit oft genug dem Drängen der Pfarrer und Gemeinden hatten nachgeben müssen.

Einer dieser entleerten und in einen vakuumähnlichen Zustand gebrachten Räume wird im Augenblick als Fallstudie im Maßstab 1:100 an der Theologischen Fakultät der Philipps- Universität in Marburg im Rahmen einer Seminarveranstaltung „Reduktionsversuche in historischen Kirchen“ bearbeitet. Die klassizistische Kirche von Ersrode bei Rotenburg/Fulda war in den fünfziger Jahren von einer Predigtkirche in eine Wegekirche bzw. von einem Zentralraum in einen längsorientierten Raum umgebaut worden. Das historische Mobiliar inklusive der Emporen wurde entfernt und zerstört. Der hierdurch gewonnene Wartesaal versetzte die Gemeinde – obwohl sie wohl selbst an dieser Umgestaltung mitgearbeitet hatte – in einen Kälteschock, von dem sie sich nicht mehr erholt hat. Dann wurde versucht mit der teilnehmenden Pfarrerin für die verbliebene Restgemeinde eine Raumverkleinerung zu erarbeiten, die dem Verödungsprozess entgegenwirken könnte. Die Aufgabenstellung lautet hierbei, das Kulturdenkmal nicht zu beeinträchtigen, d. h. die Einbauten reversibel zu gestalten, sie in einen Bezug zum historisch Vorgefundenen Raum zu bringen, sie in ein liturgisches Konzept einzubinden bzw. aus den gottesdienstlichen Funktionen heraus zu entwickeln und zusätzliche Raumangebote für Gemeindearbeit bzw. museale Zwecke zu schaffen. In diesem Fall kann die Denkmalpflege nun wirklich einmal das vorantreiben, was sie sonst zu verhindern sucht. Wäre die kalte und sogenannte „aufgeklärte“ Lösung der fünfziger Jahre vermieden worden, hätte man noch heute seine Freude an der alten Innenraumkonzeption. Fast alle betroffenen Gruppen haben sich, für die Rückgewinnung der alten Raumqualität entschieden.

V.i.S.d.P.:

Eric Mozanowski

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